14.12.08

Run for Tomorrow

Einen Halbmarathon wollte ich vor Arizona noch laufen und da bot sich der Run for Tomorrow heute in der Naehe von Fort Lauderdale an. Fuer nur $30 pro Person waren wir dabei, dafuer kommen da aber noch Sprit fuer fast 700 km, Carbo-Loading bei Cheddar's und das Hotelzimmer in Fort Lauderdale hinzu.
Naja, was macht man nicht alles fuer seine Lauferei und so fuhren wir schon Samstag in den nicht ganz so sonnigen Sueden. Warm ja, schwuel ja, windig ja, aber keine Sonne.
Obwohl der Lauf schon ins elfte Jahr ging schien die ganze Organisation nicht so 100% zu klappen. Das erste "Problem" war, dass es beim Startnummer Abholen kein Shirt mehr in meiner Groesse gab. Dabei waren wir schon lange angemeldet und wollten eigentlich nur unseren Kram am Tag vorher abholen. Na gut, nehme ich eben ein groesseres. Ist ja nicht so schlimm.
Am naechsten Morgen startete der Lauf wie geplant um sieben. Jon hatte versprochen die ganze Strecke mit mir zu laufen. Das fand ich prima, denn er haette auch viel schneller sein koennen. Andererseits ist er natuerlich schon lange keine solche Strecke mehr gelaufen und konnte auch nicht wirklich einschaetzen welches Tempo er durchhalten wuerde. Die Strasse, auf der gelaufen wurde, war vierspurig, heute fuer den Verkehr gesperrt, leicht gewunden und fuehrte durch Golfplaetze und ein paar Haeuser. Der Mittelstreifen und beide Seiten waren mit gruenem Gras - das wahrscheinlich jeden Tag exzessiv bewaessert wird - und Palmen bepflanzt. Insgesamt eine schoene, teure Gegend, aber leider vollkommen tot. Keine Zuschauer, keine Anwohner, nur ein paar Geier entdeckte ich, die auf den Strassenlaternen Platz genommen hatten und auf vor Erschoepfung liegengebliebene Laeufer warteten. Irgendwie unheimlich.

Die erste Haelfte lief prima. Jon und ich immer zusammen, gut in der Zeit, und ueberhaupt. Ich war an fuenfter Stelle bei den Frauen, wie ich von einem Helfer erfuhr. Sehr schoen.
Was ich nun aber nicht bedacht hatte war der Wind. Nach der Haelfte gab es eine 180 Grad Wendung und man lief die gleiche Strecke wieder zurueck. Direkt nach der Wendung traf mich der Wind wie eine Faust und ich lief wie vor eine Wand. Mein Gehirn schlug Alarm: "Das schaffst du nie! Das Tempo kannst du niemals halten! Gib auf! Gib auf! Gib auf!" Ich verlor die Kontrolle ueber meine Atmung und geriet fast ins Hyperventilieren. Meine Guete, was war das denn jetzt? Die Frau hinter mir nutzte den Moment zum Ueberholen. Ich musste sie ziehen lassen.
Jon schaffte es mich zu beruhigen und wir liefen weiter. Das ging eine Zeitlang gut, aber schon bald kamen diese Stimmen wieder: "Ich kann das nicht schaffen! Der Wind ist zu stark! Es ist zu schwuel! Ich schaff das nicht! Ich bin zu langsam!" Ich bekam es mit der Angst und musste fast stehen bleiben, kriegte mich aber doch wieder einigermassen ein, wenn ich auch deutlich langsamer laufen musste. Meine Beine schienen mir ploetzlich nicht mehr zu gehorchen. Die Zahlen auf dem Forerunner schrien mir die bittere Wahrheit ins Gesicht, dass ich deutlich ueber dem Tempo lag das ich mir vorgenommen hatte. Ich versuchte mit allen Mitteln gegen mein Gehirn anzukaempfen, aber es klappte kaum. "Relaxed and strong" klappte nicht, "I won't back down" klappte nicht und die Gewissheit, dass es nicht mehr weit war half mir auch nicht weiter. Jon versuchte ebenfalls sein Bestes, aber ich glaubte einfach nicht mehr an mich. Mit einem 5:06er Schnitt war die elfte von dreizehn Meilen deutlich die langsamste. Dabei tat nichts weh, ich war einfach nur schwach. "Relax! Relax!". Das half ein bisschen, wenn ich es ganz laut sagte.

Dann kam die letzte Meile. Bald vorbei! Noch mal anstrengen!
Eine halbe Meile im 4:45er Schnitt. Nicht gut, aber besser. Endlich gelang es mir ansatzweise mich davon zu ueberzeugen dass es fast geschafft war. Um mich nicht wieder von den Zahlen runterziehen zu lassen drueckte ich die Runden-Taste. 650 m im 4:40er Schnitt. Es wurde Zeit, noch mal so richtig anzuziehen, denn nun wurde eine Dreiviertel Runde ueber den Sportplatz gelaufen. Eine schoene schwarze Tartanbahn, wunderbar zum Laufen. Schaffen wir es trotzdem noch unter 1:40? 320 m in 1:21 (4:15er Schnitt). Geschafft! Ins Ziel stolpern, Wasserflasche nehmen, auf den Rasen fallen lassen. Meine Guete, was fuer ein Lauf. Woher kamen nur diese Angstzustaende? Das war ja schrecklich! Ich haette es geschafft, wenn nur mein Kopf mitgespielt haette. Das war nun gar nicht schoen und mit 1:39:36 bin ich auch nicht wirklich zufrieden. Hab ich mir zu viel Stress gemacht?
Ich war nur froh, dass Jon dabei war. Sonst haette ich sicher aufgegeben und waere einfach gegangen oder noch langsamer gelaufen.
Das Beste war nun, den Halbmarathon abzuhaken und mir zu sagen, dass ich einfach vorher zu viel gelaufen bin, nicht wirklich ausgeruht war, der Wind doch zu stark war und die recht schwuele Luft Suedfloridas doch nicht so wirklich gut zum Laufen geeignet. Und dass ich zusehen muss, meinen Kopf unter Kontrolle zu kriegen. Ihn bis zum Rand anfuellen mit positiven Gedanken von denen ich zehren kann wenn es hart wird. Jawoll, das mache ich!

Bei der Siegerehrung dann das naechste Problem: Erster Platz in der Altersgruppe 30-34 sollte auf einmal eine Dame gewesen sein, die mit 1:55:03 ins Ziel kam. Moment mal, das kann ja wohl nicht stimmen! Wir beschwerten uns beim Zeitnehmer und es stellte sich heraus, dass mein Chip falsch programmiert war und fuer den gleichzeitig mitlaufenden 5-km-Lauf gewertet wurde. Toll! Zum Glueck war Jons Chip richtig gelesen worden, sodass meine Zeit wenigstens direkt in der Ergebnisliste korrigiert werden konnte. Wir waren ja genau zur gleichen Zeit ins Ziel gelaufen. Nun wollte ich gerne meinen Pokal, aber der war schon weg. Nach weiterem Beschweren wird mir nun ein Neuer graviert und zugeschickt. Trotzdem, ich glaube nicht, dass wir den Lauf noch mal mitmachen. War schon ein ganz schoen weite Fahrt und dann sowas!

Wenigstens sind wir auf dem Rueckweg noch in Fort Lauderdale vorbeigefahren und dann am Strand entlang wieder Richtung Norden. Das Meer war von dem Wind, der hier natuerlich noch staerker war, aufgewuehlt und Surfer freuten sich ueber die hohen Wellen, waehrend sich die Palmen am Strand im Wind bogen. Das war schon ein tolles Bild!



Die letzte Woche in Zahlen:
5 Wochen bis zum Marathon
Montag Morgen: Regenerationslauf 6 Meilen - 1646m Schwimmen - Indoor + 5.26km in 30:00 - Outdoor
Montag Abend: Regenerationslauf 4 Meilen - 6.53km in 35:23 - Outdoor
Dienstag: VO2max 12 Meilen mit 6x1000m @ 5k Renntempo, 2 min. Trabpause - 19.59km in 1:34:57 - Indoor
Mittwoch: Mittellanger Lauf 15 Meilen - 24.22 km in 2:04:05 - Outdoor
Donnerstag Morgen: Regenerationslauf 6 Meilen - 8.11 km in 47:25 - Outdoor
Donnerstag Abend: Regenerationslauf 4 Meilen - 7.8 km in 43:33 - Outdoor
Freitag Morgen: Mittellanger Lauf 12 Meilen - 19.44 km in 1:35:57 - Indoor
Freitag Abend: Regenerationslauf 4 Meilen - 5.57 km in 30:00 - Outdoor
Samstag: Regenerationlauf 7 Meilen - 5.5 km in 27:15 - Outdoor
Sonntag: Marathonspezifischer Lauf 18 Meilen mit 15 Meilen @ Marathon Renntempo - 21,0975 km in 1:39:36 + 2.41 km in 13:20 - Run for Tomorrow Half Marathon mit Jon

7 Kommentare:

Gerd hat gesagt…

Das hörst sich ja richtig gruselig an. Reine Kopfsache. Der Körper kann und der Kopf will nicht.
Ich kenn´s eher andersrum.
Es gibt beim Laufen immer wieder neue Erfahrungen. Vielleicht kannst Du einen neue Stärke aus der Erfahrung ziehen. Ich wünsche es Dir.
Ansonsten kannst Du das Rennen in den Bereich Pleiten, Pech und Pannen einordnen. 700km für eine schlecht organisierte Veranstaltung?

Hase hat gesagt…

"Hab ich mir zu viel Stress gemacht?"

Ich hoffe, du nimmst mir meine Offenheit nicht übel, aber ich glaube, das ist ein Ansatz, über den du mal nachdenken könntest... ich bin beim Lesen deiner Einträge sehr oft verblüfft darüber, wie unheimlich du dich unter Druck zu setzen scheinst.
Take care !!

Martin hat gesagt…

Wow, da windets aber wirklich heftig !
Nun das Problem mit der "Birne" die einfach nicht will und alles andere blockiert kann ich mit dir teilen.
Auf der anderen Seite würde ich nie 700 km fahren für einen Lauf, da sind die Entfernungsverhältnisse bei Euch im Vergleich zu uns doch ein "bisschen" anders. :-)
Auch ich dachte zuerst als ich den Bericht las, du solltest nicht so verkrampft an die Sache rangehen, aber ich weiß selbst, wenn auch abgeschwächt, wie das ist. Man will immer seine Pb knacken, immer das beste geben. Es ist dieser Druck den man in sich hat. Mir hat der Lauf gestern ein bisschen den anderen Weg gezeigt, auch wenn ich beim nächsten 15er im Januar natürlich wieder alles geben will. Läufer sind halt ein bisschen anders.

Cecile hat gesagt…

Schöne Bilder auch wenn das Laufen mit so viel Wind bestimmt nicht leicht war! Mit dem Pokal ist es echt stark!! :(
Das Problem habe ich nie gehabt, da ich noch nie eins gewonnen habt! :)

Anonym hat gesagt…

Wenn der Wind beim Lauf so stark war, wie auf dem Palmenfoto, dann war das schon krass und ich finde gegen Wind ankämpfen kann ganz schön zermürben. Gar nicht so einfach dem Kopf das Nichtwollen dann wieder auszureden.
Ich denke, Du solltest den Lauf abhaken, da kam wohl alles auf einmal und beim nächsten Mal läuft alles schon wieder ganz anders.

Kerstin hat gesagt…

Gerd, 700 km hin und zurueck. Und das machen wir auch nicht jedes Mal. Ich konnte ja vorher nicht wissen, wie chaotisch es werden wuerde.
Hase, ich weiss. Wir muessen alle sterben! Mindestens! ;-)
Martin, PB war ja von vorneherein nicht angestrebt. Viel schlimmer: Ich MUSSTE ein bestimmtes Tempo laufen, naemlich mein Marathontempo. Sonst wuerde ich den Marathon nicht schaffen und ueberhaupt. Ich hab den Lauf aber wirklich abgehakt.
Cecile und Michi, das war am Strand, der HM war etwas weiter im Inland. So stark wie auf den Bildern war der Wind also nicht mal im Ansatz. Naechstes WE gibt es einen Rundkurs um einen See, nur 5 km. Da wird alles wieder gut! Und zur Not habe ich ja immer noch einen Silvesterlauf, um mir neues Selbstvertrauen zu holen. Das wird schon.

Hase hat gesagt…

Hihi ;-)