4.11.07

In der Hitze des Gefechts

Den ganzen Sommer und einen grossen Teil der Herbstes lang habe ich mich immer wieder gewundert und auch ein bisschen geaergert, dass ich bei Rennen zwar recht flott unterwegs bin, aber im Training meist immer noch furchtbar vor mich dahingeschlichen bin und ausser beim Intervalltraining ganz selten mal auf ein Durchschnittstempo unter 5 min/km gekommen bin. Dabei hatte ich diese "magische" Grenze zumindest fuer kurze Laeufe eigentlich schon im Fruehjahr in Alabama erreicht bzw. war kurz davor.
Dann ich mir aber etwas in die Quere gekommen, und erst jetzt, da auch hier in Florida die Hitze endlich nachlaesst und die Luft trockener wird, weiss ich, was es ist.

Ich dachte eigentlich, ich haette mich recht gut an die Hitze gewoehnt und mir hat es auch gar nicht so viel ausgemacht, bei Hitze zu laufen, aber normale Trainingslaeufe gingen eben meist nur im Schleichtempo - verglichen mit Rennen und Intervalltraining.
Wahrscheinlich ist es nur den ganzen Wettkaempfen zu verdanken, dass ich trotz dieser erschwerten Bedingungen doch noch einigermassen voran gekommen bin.

Seit ein paar Tagen hat sich das Wetter geaendert. Es wird vor allem nachts kuehler und die Luftfeuchtigkeit ist nur noch halb so hoch. Das hatte gestern Nachmittag den fuer mich genialsten 20-Meilen-Lauf aller Zeiten zur Folge. Die ersten 21 km - also bis zum Halbmarathon bin ich mit Jon gelaufen und zwar in 1:59 relativ langsam und verhalten.

Danach ist er beim Truck geblieben und ich bin noch mal fast 11 km alleine gelaufen. Eine Endbeschleunigung wie sie Vater Greif nicht besser hingekriegt haette, sogar ein bisschen schneller als im geplanten Marathontempo. Und das Ganze auch noch mit Trinkrucksack auf dem Buckel. Alle Bedingungen waren ideal: Der Weg war eine breite gerade Staubstrasse, der ideale Untergrund zum Laufen, nicht zu hart und nicht zu weich. Wir hatten vorher mit lecker Spaghetti, Weissbrot und Salzbrezeln ordentlich Carboloading betrieben. Ich war durch die Olympic Trials der Maenner am Morgen total motiviert und konnte mir beim Laufen immer Ryan Halls grossartigen Siegeslauf vor Augen halten und seine Freude fast koerperlich spueren als er auf den letzten Meilen schon wusste, dass die Reise fuer ihn bald nach Peking geht. Und dann der wichtigste Faktor, das Wetter. Es war einfach herrlich, in den Sonnenuntergang zu laufen, es wurde immer kuehler und besser. Ich wurde immer schneller und schneller, auch um so schnell wie moeglich zurueck bei Jon zu sein, der im Truck wartete.
Diese letzten 11 km sind mir leichter gefallen als bei jedem andere 20-Meilen-Lauf zuvor, vielleicht mal abgesehen von dem Ultra-Marathon.
Ich habe fuer die 32,19 km - Pausen rausgestoppt - genau 2:49:52 gebraucht. Das ist sogar schneller als mein Marathontempo vom Napa Valley Marathon im Maerz.
Mir hat nachher nichts wehgetan und auch meine Huefte, die mir in letzter Zeit schon mal ein bisschen Sorgen bereitet hat, habe ich bei diesem Lauf und auch hinterher nicht gespuert. Aber deswegen sind wir ja auch extra nicht auf Asphalt gelaufen.

Jedenfalls war es ein einfach total genialer Lauf. Und das Beste: Heute, am Tag danach, konnte ich an dieser Stelle auch direkt wieder anknuepfen. Obwohl ich den ganzen Tag auf einem Reitturnier rumgelaufen bin und einen laengeren Ausritt gemacht habe, fand ich die 6,6 km heute Abend in - fuer mich - superschnellen 29:51 weniger anstrengend als fruehere Laeufe der selben Distanz, die wesentlich langsamer waren.

Man kann jetzt sagen, dass sich das ganze harte Marathontraining eben einfach ausgezahlt hat und ich genau im richtigen Augenblick in Hochform bin. Noch drei Wochen sind es bis zum Space Coast Marathon und wenn jetzt alles wie geplant laeuft, dann duerfte ich die Boston-Qualifikation (3:40 oder schneller) ganz locker in der Tasche haben. Im Prinzip bin ich natuerlich jetzt sehr zuversichtlich durch den perfekten langen Lauf gestern.
Auf der anderen Seite finde ich es aber auch schade, dass ich wegen der Hitze im Sommer nicht in der Qualitaet trainieren konnte, die mich zu dem besten Marathon gebracht haette, den ich haette laufen koennen. Da hab ich mich in der Hitze im "Schneckentempo" abgequaelt und war einfach nicht in der Lage, regelmaessig das Tempo zu laufen, das noetig gewesen waere.
Vielleicht bin ich deswegen unverletzt davon gekommen und das Ganze hatte auch was Gutes, keine Ahnung.

Jedenfalls muss ich mir eine neue Strategie ueberlegen, wenn ich nicht meine Kraft mit qualitativ nicht ausreichendem Training verpulvern und richtig gut werden will.
So habe ich mir die Zeit nach dem Marathon und das naechste Jahr also vorgestellt:

Im Dezember will ich mich ausruhen, vom Marathon erholen und Sachen machen, die bei der ganzen Lauferei - diese Woche bin ich 128,75 km gelaufen - zu kurz gekommen sind. Dazu gehoeren lange Radtouren, Wanderungen, Ausfluege. Ausserdem fange ich endlich an zu arbeiten, was natuerlich auch erst mal jede Menge Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Ich will trotzdem weiterhin taeglich laufen, aber ausnahmsweise mal nicht nach einem Plan, sondern einfach wie mir gerade danach ist. Ausnahme: Wenn beim Space Coast Marathon irgendwas furchtbar schief geht und ich die Qualifikation nicht schaffen, gibt es am 29. Januar noch einen Marathon, bei dem ich es versuchen koennte.

Von Januar bis April soll mein Training dann ganz im Zeichen des Boston Marathons stehen. Da gibt es einen speziellen Trainingsplan, der jede Menge Intervall- und Tempotraining beinhaltet und ausserdem wird wohl meine altbekannte Bruecke wieder als Bergersatz herhalten muessen. Da das Wetter relativ kuehl und trocken sein wird, wird das Training sicherlich um einiges effektiver sein als das, was ich bis jetzt gemacht habe. Ausserdem moechte ich mit meinen Eltern, die uns in dieser Zeit besuchen, fuer einen 5km-Lauf trainieren. Ziel soll sein, dass wir ihn zusammen komplett durchlaufen ohne Gehpausen. Ich bin sicher, das schaffen sie!

Nach der Boston-Regeneration faengt hier wieder der Sommer an. Und Sommerzeit in Florida bedeutet Triathlon-Zeit. Wir wuerden gerne im August oder Anfang September bei einer Massenveranstaltung mitmachen, einem richtig grossen Triathlon (olympische Distanz) mit allem Drum und Dran. An unserem olympischen Triathlon letztes Jahr hat uns nicht so gut gefallen, dass es so eine kleine unbedeutende Veranstaltung war. Also diesmal was richtig Tolles, ein Highlight sozusagen. Auf dem Trainingsweg dorthin wird es wohl wieder so einige 5km-Laeufe und kuerzere Triathlons geben. Ich moechte endlich die 20-Minuten-Grenze unterschreiten. Wenn die 19-Minuten-Grenze auch noch faellt, faende ich das um so besser.

Im Herbst wollen wir in Deutschland einen Halbmarathon laufen und vielleicht noch ein paar weitere in Florida. Einen Herbstmarathon soll es aber nicht geben, dann schon lieber wieder einen ruhigen, langsamen Ultra-Marathon im Wald.

Insgesamt wollen wir weniger Rennen laufen, dafuer aber die Wettkaempfe sorgfaeltiger aussuchen und am liebsten natuerlich auch schneller laufen. Es ist wohl an der Zeit, mehr auf Qualitaet zu achten und nicht mehr wahllos drauflos zu rennen. Ich wuerde auch lieber von den winzigen lokalen Rennen etwas Abstand nehmen und dafuer nach Orlando fahren und bei groesseren Laeufen mit mehr Teilnehmern und mehr Konkurrenz mitmachen. Auch wenn ich da nicht wieder staendig platziert werden sollte, ist es fuer mein Ziel, eine richtig gute Laeuferin zu werden und es bis zu den Olympic Trials zu schaffen, sicher foerderlicher.
So hab ich mir das zumindest mal als Grobplanung fuer naechstes Jahr gedacht. Bin mal gespannt, wie das alles so hinhaut!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nur noch 3 Wochen? Ja, dann geht's jetzt wirklich in die heiße Phase!
Ich bin schon so gespannt, was Du nach dem Marathon berichten wirst!
Hast Du Paula und Gete beim New York Marathon gesehen? Wenn ich nicht schon vorher meine Intervalle gemacht hätte, wäre ich dabnach nicht mehr zu halten gewesen. Es war so spannend und motivierend - die pure Werbung für's Laufen, vor allem für's Laufen der Frauen.
Für's Daumendrücken ist es ja noch ein bisschen früh, aber bald!!!
Gruß
Manu

Kathrin hat gesagt…

Hallo Kerstin,

zunächst erst einmal Glückwunsch zum super-Trainingslauf und alles Gute für Deinen Marathon in 3 Wochen. Deine angestrebten 3:40 solltest Du nach unten korrigieren.

Deine Planung für`s nächste Jahr sieht recht durchdacht aus. Ich gehe leider immer PLANLOS im wahresten Sinne des Wortes an die Trainings heran. Ich weiß, daß sich das ändern muß, da auch ich plane, ein bischen beim Triathlon mitzumischen. Bin gespannt!

Lieben Gruß, Kathrin

Kerstin hat gesagt…

Manu, leider hab ich von dem Marathon nichts mitbekommen. War mit dem Pferd unterwegs.
Kathrin, 3:40 sind das absolute Minimalziel das ich bei schwuelem Gegenwind und trotz allen Widrigkeiten erreichen moechte.
Wenn alles gut geht, wuerde ich schon gerne unter 3:20 bleiben. Dann muss aber wirklich alles stimmen, so wie am Samstag.

Ines hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Ines hat gesagt…

hi, kerstin-
uups- ich hatte mich verschrieben- sorry.

tolle zeiten hast du!!! herzlichen glückwunsch!!!

ich war vor 17 jahren mal in florida und ich erfreue mich an deinen schönen bildern- gerne mehr davon:-))

ich kann mir vorstellen, dass es toll sein muss, in der weite und bei dem warmen klima zu laufen- isn´t it??

ganz liebe grüsse und einen schönen sonntag von athena/liv