Ein Rennen in Disney World unterscheidet sich von den kleinen lokalen Laeufen in vieler Hinsicht.
Zuerst mal war das unsere erste Begegnung mit der perfekten Glitzerwelt der Illusionen, die da ueber Dschungel und Suempfe aus dem Boden gestampft worden ist. Alles ist designed, kuenstlich und jedes kleines Detail durchdacht. Sogar die Verkehrsschilder sind bunt und "lustig". Das war schon ein bisschen gewoehnungsbeduerftig.
Auf der Veranstalterhomepage hatte es sich so angehoert, dass man unbedingt sein Paket bis 4 Uhr nachmittags in Downtown Disney abholen muesste, also sind wir auch brav schon am Nachmittag nach Orlando gefahren, obwohl das Rennen erst um halb zehn starten sollte.
Es galt also, jede Menge Zeit rumzukriegen und gleichzeitig noch rechtzeitig vor dem Lauf unsere Speicher ordentlich aufzufuellen, ohne die Beine durch zu viel Rumlaufen zu muede zu machen. Eine schwierige Aufgabe!
Das Paket war so mager wie noch nie. Normalerweise bekommt man ja wenigstens noch ein paar Werbegeschenke, Gel, Riegel oder so, aber hier gab es allein die Startnummer und ein T-Shirt, eine Schwarzweisskopie der Strecke, ein Armband, das den Eintritt zur Post-Race-Party erlaubte und natuerlich den Champion Chip. Und das fuer $65 pro Person! Soviel bezahlen wir normalerweise nicht fuer ein Rennen.
Wir sind natuerlich trotzdem eine Zeit lang durch die Laeden geschlendert, in denen es jede Menge furchtbar ueberteuerten Krempel, Mickimausohren und Hundefutternaepfe mit Pluto-Motiven gab. Die Leute kauften wie verrueckt, aber wir konnten uns gerade noch zurueckhalten. Dafuer suchten wir direkt mal einen Nobel-Italiener auf, bei dem wir $18 pro Portion Spaghetti mit Tomatensauce bezahlten. Ich muss aber gerechterweise sagen, dass es ziemlich gute Spaghetti mit Tomatensauce waren. Natuerlich gab es dazu weder Brot noch Salat noch sonstwas, das haette alles extra gekostet. War eben Disney und wir sagten uns, dass es hier vor allem um die Erfahrung ging. Wenn wir nur um des Laufens willen laufen wuerden, dann braeuchten wir nirgendwo hin fahren, aber so erlebt man immer wieder die unterschiedlichsten Szenarien. Bei uns in der Gegend gibt es einige Lokalmatadoren, die bei jedem Rennen dabei sind, aber sonst nichts anderes machen. Dazu haetten wir auf die Dauer auch keine Lust.
Um ins Kino zu gehen, reichte die Zeit ganz knapp nicht, also fuhren wir, nachdem wir im Downtown Bereich so ziemlich alles gesehen hatten, zu den MGM Studios, wo das Rennen stattfinden sollte und ruhten uns erstmal eine Stunde im Auto aus, klappten die Sitze zurueck und schliefen. Das war ganz gut so.
Zwei Stunden vor dem Lauf gingen wir schliesslich zum Start und fanden heraus, das man die Pakete sehr wohl auch jetzt erst haette abholen koennen. Da waren wir ganz gut auf die Disney-Konsum-Falle hereingefallen! Wir aergerten uns ein bisschen, aber es war ja jetzt auch nicht mehr zu aendern und so hatten wir wieder was neues gesehen.
Passend zu Halloween war der Lauf 13 km lang, eine seltsame Zahl, die die meisten noch nie gelaufen sind. Wir hatten uns vorgenommen, unter einer Stunde zu bleiben. Das war auch unter schlechten Umstaenden gut machbar.
Es gab auch noch einen 6,5 km Lauf, der aber nicht getimed wurde und die Teilnehmerzahl beider Laeufe zusammengenommen ueberschritt - fast - alles was wir das ganze Jahr ueber gelaufen sind. Ueber 4000 Laeufer und Walker waren angetreten! Der Lauf war ausgebucht und allein beim 13-km-Lauf machten 2591 Teilnehmer mit, darunter 1523 Frauen.
Wir stellten uns nach dem Aufwaermen also ganz frueh weit vorne auf, um gleich richtig losrennen zu koennen. Es wurde eine grosse Show um das Rennen veranstaltet und 2 Moderatoren taten ueber eine Grossleinwand alles um uns zu unterhalten und die Zeit bis zum Start rumzukriegen. Dazwischen wurden immer wieder Musikvideos gespielt.
Leider verschob sich der Start aus uns nicht bekannten Gruenden um 20 Minuten, sodass wir erst um 21:50 loslaufen konnten. Um die Zeit gehe ich normalerweise ins Bett!
Bis zum Start waren wir also ueberzeugt, nie wieder ein Rennen in Disney World zu laufen.
Dieser Eindruck aenderte sich, als es dann endlich los ging. Es war relativ kuehl, die Luftfeuchtigkeit so, dass man noch Luft bekam - der Vorteil an Rennen ein bisschen von der Kueste entfernt - und die Strecke wunderbar. Nach jeder Meile wurden die Zeiten ausgerufen, es gab genug Wasserstationen und einen Teil ging es ueber eine hell erleuchtete Schotterstrasse durch den Urwald. Wir liefen durch den Sportkomplex und eine Runde auf der Bahn, immer wieder ein Stueck Strasse und schliesslich durch das Gelaende der MGM Studios, das wie eine europaeische Innenstadt aufgebaut war.
Auf einem Teil der Strecke hatten sich viele Mitarbeiter als Irrenhausinsassen verkleidet und unterhielten die Laeufer mit seltsamen Verhalten. Das war das Halloween-Thema.
Jon lief die ersten 10 km oder so mit mir und coachte mich, erinnerte mich daran, zu atmen und meine Arme zu gebrauchen und wo ich in den Kurven am besten laufen sollte. Das war klasse! So waren wir in der Lage, ein von Anfang an hohes Tempo gleichmaessig durchzuhalten. Wir starteten mit 4:17/km und ich kam mit diesem Tempo auch ins Ziel. Da Jon sich so darauf konzentriert hatte, mir zu helfen, konnte er auf den letzten Kilometern leider nicht mehr mithalten und ich haengte ihn ab, um einem 15jaehrigen Jungen zu folgen. Da ich aber ziemlich weit vorne war, waere es unsinnig gewesen, auf Jon zu warten und meinen Platz aufs Spiel zu setzen. Immerhin hatte er ja auch alles daran gesetzt, dass ich schnell war.
Ich fuehlte mich waehrend des gesamten Rennens wesentlich besser als am Vortag und obwohl ich in der Mitte ein bisschen langsamer wurde, brach ich an keiner Stelle ein, sondern lief die letzten Kilometer wieder schneller.
Leider kamen dann auch wieder die Walker der 6,5 km Strecke dazu, sodass man um sie herum laufen musste. Das war schon stoerend, vor allem als die Strassen schmaler und die Leute zahlreicher wurden.
Ich versuchte nur, den Jungen vor mir nicht aus den Augen zu verlieren und es gelang mir auch fast bis zum Schluss.
Das Ziel war nicht auf einen Endspurt ausgelegt und das Rennen war laut Garmin auch 0,23 Meilen zu lang, sodass ich nicht mehr versuchte, bei 56 zu bleiben, als ich endlich das Ziel und die Uhr sehen konnte. Ich war auch so sehr zufrieden mit meiner Zeit, dem Tempo und meiner Leistung und wiederholte mein Finish vom Vortag nicht.
Bei 57:07 ueberschritt ich schliesslich die Ziellinie, Jon kam mit 57:32 nicht mal eine halbe Minute nach mir ins Ziel.
Mir ging es viel besser als am Vortag. Das Rennen war lang genug und ich war schnell genug, um mich richtig zu freuen. Leider verpassten Jon und ich uns im Ziel, bis ich mich daran erinnerte, dass wir uns am Baggage Claim wiedertreffen wollten. Ich hatte zum zweiten Mal lange Sachen eingepackt und war froh, mich umziehen zu koennen. Es war doch recht kuehl so mitten in der Nacht.
Auf Achterbahn hatten wir keine Lust mehr, obwohl das eigentlich im Preis mit drin war, aber es war spaet und wir waren muede und ausserdem sollte um Mitternacht auch die Siegerehrung stattfinden. Dorthin begaben wir uns also und die Freude war gross, als als allererstes der dritte Platz bei den Frauen ausgerufen wurde. Natuerlich konnte mal wieder niemand meinen Namen aussprechen, aber es bestand kein Zweifel: Ich war von 1523 Frauen als Dritte ins Ziel gekommen!
Strahlend nahm ich meinen Pokal in Empfang und liess mich fotografieren.
Jon war nicht in seiner Altersklasse platziert, also machten wir uns auf den Weg nach Hause, nicht ohne einen kurzen Verpflegungsstopp im Waffle House einzulegen.
Zu Hause angekommen waren die Ergenisse schon online und jetzt kam heraus, dass ich Jon ja in der Militaerkategorie angemeldet und er dort den 2. Platz erreicht hatte. Sowas Aergerliches, dass wir nicht gewartet hatten!
Jedenfalls war es wider Erwarten dann doch ein sehr schoener, besonderer Lauf, der uns gut gefallen hat, sobald wir unterwegs waren!
28.10.07
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4 Kommentare:
Bei Dir kommt man ja aus dem Gratulieren gar nicht mehr heraus! ;)
Herzlichen Glückwunsch! Das muß man/frau Dir erst einmal nachmachen. :-)
Danke! Es macht aber auch unheimlich Spass.
Ich bin manchmal selber ganz erstaunt, wie schnell ich laufen kann und wie schnell ich mich nach einem Lauf erhole...
Wow, herzlichen Glückwunsch. Es macht immer wieder Spaß, Deine Seite und vor allem Deine Erfolge mitzuerleben! Danke fürs ausführliche Bloggen!
" Where dreams come True ",
mich wundert nix, es läuft im wahrsten Sinne des Wortes, und es geht mit Riesen-Schritten auf DAS GROSSE EVENT zu.
Gut gemacht, Kerstin, kann gar nicht mehr abwarten, bis es soweit ist !!
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