Tut mir Leid, Margitta, dass ich mal kurz deinen Blogtitel klauen musste, aber das war die beste Ueberschrift fuer diesen Eintrag, die ich finden konnte.
Ich bin jetzt naemlich auch offiziell ein Ultramarathonlaeufer, auch wenn der John Holmes Trail Run mit 50 km nicht so furchtbar viel laenger war als ein Marathon.
Dafuer war er aber wunderbar, genial, toll, einfach, herrlich!
Ich hatte vor diesem Lauf ziemlich Schiss, vor allem nach dem verkorksten Halbmarathon letzte Woche und hab mich selber verrueckt gemacht. Das war alles gar nicht noetig. Oder vielleicht doch, um den Lauf selber dann so richtig geniessen zu koennen?
Die Anreise war am Freitag Abend und wir kamen gerade noch rechtzeitig ein paar Minuten vor acht im Gasthotel in Brooksville an, um unsere Startnummern und Goody-Bags abzuholen. Das war ganz gut, denn die beinhalteten neben einer Kaffeetasse, einem PowerBar und sehr schoenen schweissableitenden T-Shirts auch eine Parkerlaubnis fuer den Parkplatz im Wald, wo das Rennen starten sollte.
Unser Zimmer war jetzt nicht sooo toll, aber immerhin konnten wir uns fuer den Start am naechsten Morgen gut ausruhen.
Sieben Uhr Start, das heisst den Wecker auf fuenf stellen und dann direkt affee kochen und mein vorbereitetes Oatmeal - diesmal mit Schokomilch - eine Banane und einen kleinen Muffin futtern, um auch genug Energie fuer die vor mir liegenden 50 km zu haben.
Jon hatte sich fuer den 15 Meilen Lauf angemeldet, der erst um 9 Uhr startete, aber er musste natuerlich trotzdem mit mir zusammen zum Start fahren, denn der war noch mal 16 km entfernt.
Es wurde gerade mal hell, als der Lauf dann endlich losging und ich trabte so langsam an wie wohl noch niemals vorher bei einem Rennen. Und obwohl ich so langsam war, hatte ich schon bald einen Grossteil der anderen Laeufer ueberholt, ohne es darauf anzulegen. Der erste Kilometer fuehrte noch ueber eine breitere Staubstrasse, um allen die Moeglichkeit zu geben, ihr Tempo zu finden, doch bald darauf bogen wir nach links in den Wald auf schmale Wege ab. In Amerika sind die meisten Ultras - soweit ich das mitbekommen habe - Trail Runs. Wir mussten einen etwa 12 km langen Rundweg viermal hintereinander laufen. Es gab drei Versorgungsstationen, die mit Essen und Trinken gut ausgeruestet waren und an der ersten Station auf dem Rundweg waren ausserdem Drop Bags deponiert, in denen man frische Schuhe und Socken und was man sonst noch so brauchen koennte, auf die Strecke bringen konnte. Sehr praktisch!
Ich hatte mir eine Zielzeit von fuenf Stunden gesetzt, das heisst ich musste ein Tempo von 9 bis 10 Minuten pro Meile laufen. Das ist nicht besonders schnell, aber schliesslich sollte die ganze Veranstaltung ja auch mehr zum Training sein und mich nicht komplett fertig machen.
Es war wunderschoen im Wald, ein herrlich kuehler Morgen. Das Licht bei Sonnenaufgang war wie verzaubert und das Laufen auf dem weichen Boden meist ein Genuss. An ein paar Stellen wurde der Sand etwas zu tief, aber die waren immer schnell geschafft und es konnte weiter gehen. Es gab ein paar Huegelchen, nichts Weltbewegendes, sondern mehr was zur Auflockerung.
Die erste Runde lief ich mit zwei anderen Leuten zusammen und wir erreichten die 10-km-Marke auch tatsaechlich wie geplant bei genau einer Stunde. Ich war kein bisschen muede, hielt aber trotzdem wie geplant an allen Versorgungsstationen an, um Gatorade zu trinken. Nachspuelen konnte ich mit Wasser aus meinem neuen Trinkrucksack, der sehr angenehm zu tragen war.
Zu Beginn der zweiten Runde gab es dann erstmal eine halbe Banane und ich liess meine Mitlaeufer hinter mir. Wurden die langsamer oder ich schneller? Keine Ahnung, jedenfalls war ich nun alleine unterwegs und meine Angst, den Lauf nicht zu schaffen, legte sich immer mehr. Ich erzaehlte allen Leuten an den Versorgungsstationen, wie schoen dieser Wald doch sei und wie viel Spass der Lauf machte. Am Ende der zweiten Runde strahlte ich "This is so much fun!", so dass die Versorgungsleute lachten und meinten, das haetten sie auch noch nicht gehoert nach 15 Meilen. Dabei war nun die Haelfte geschafft und wenn es so weiter ging, wollte ich mehr als zufrieden sein. Meine Beine wurden ein bisschen schwerer, aber dank der guten Verpflegung lief ich immer noch ganz locker mein Tempo. Haette ich an den Stationen nicht so viel gequatscht, waere ich vielleicht noch eher fertig gewesen, aber ich lief ja ausnahmsweise mal langsam. Meine Zeitziele unterbot ich bei der 20 km Marke und auch nach der Haelfte der Strecke ganz knapp, kein Grund zur Sorge also, genau sollte es laufen.
Auch die dritte Runde war schoen. Es war immer noch nicht zu heiss, auch wenn die Sonne jetzt hoeher stand. Die 15-Meilen-Laeufer waren eine halbe Stunde vorher oder so gestartet und die ganz langsamen 50-km-Laeufer waren auch erst auf der zweiten Runde. Bevor es also noch langweilig werden konnte, fing mein Lieblingsspiel an, das Ueberholen. Ich ueberholte viele, die gingen, aber auch einige, die liefen. Man konnte oft schon von weitem erraten, welchen der beiden Laeufe die Leute in Angriff genommen hatten. Je duenner desto ultra? Ausnahmen bestaetigen natuerlich die Regel!
Jedenfalls machte ich hier ganz unterschiedliche Erfahrungen auf dem schmalen Waldweg. Die meisten sprangen schnell zur Seite, wenn sie mich kommen hoerten und machten Platz. Andere hatten leider wohl ihre Musik so laut aufgedreht, dass sie mich eben nicht kommen hoerten, obwohl ich sie laut und deutlich mit "Excuse me, please!" ansprach. Dabei hatte der Veranstalter extra noch darauf hingewiesen, dass man nur einen Ohrstoepsel benutzen sollte. Ich hatte mein iPod auch dabei, aber kam irgendwie nie in die Verlegenheit, es benutzen zu muessen. Dazu war der Lauf zu schoen und ich brauchte keine Ablenkung von aussen.
Ich musste ein paar Mal ziemlich abbremsen und sehr laut auf mich aufmerksam machen, bevor ich ueberholen konnte, was etwas stoerend war.
Nach der dritten Runde machte ich endlich Gebrauch von meinem Drop Bag, in dem ich u.a. meine Race Flats und ein neues Paar Struempfe hatte, wechselte die Fussbekleidung, legte Trinkrucksack und T-Shirt ab - es war mittlerweile doch etwas waermer, wenn auch nicht zu heiss - und fuehlte mich gleich viel leichter. Das Rennen konnte nach ueber 20 Meilen endlich beginnen! Mit einem Koffein- und Zuckerschub - Coca Cola sei dank! - rannte ich auf die vierte Runde. Den Marathon hatte ich fast geschafft und immer wieder konsultierte ich mein GPS, wann der historische Moment endlich gekommen waere und ich ein Ultralaeufer geworden war. Nach vielen erneuten Erholmanoevern, Sandhuegeln und einer weiteren Versorgungsstation - die Bananen waren alle und ich wollte keine Kekse, also ass ich nun nichts mehr, sondern verpflegte mich nur noch mit zuckersuesser Cola - erreichte ich schliesslich nach 4 Stunden und 14 Minuten die Marathonmarke. Wahnsinn! Ab jetzt war jeder weitere Meter weiter, als ich je an einem Tag gelaufen war. Sogar mein laengster Distanzritt in Deutschland mit Poldi war mit 54 km nur ein bisschen weiter gewesen als dieser Lauf!
Natuerlich taten meine Beine weh, aber nach so vielen Meilen durften sie das auch und ich machte mir nicht weiter Gedanken darum. Als ich bei der vorletzten Versorgungsstation anhielt, protestierten meine total verhaerteten Muskeln am lautesten und die Leute lachten ueber meine Schmerzensschreie. Ultralaeufer duerfen eben keine Weicheier sein! Sobald ich wieder lief, liessen die Schmerzen sofort wieder nach. Ich hatte es ja nun auch fast geschafft. Auch an der allerletzten Station hielt ich noch mal an und erfuhr nun endlich, dass ich schon so ziemlich gewonnen hatte. Jedenfalls war noch keine andere Frau viermal durchgekommen. Es war auch nur noch eine Viertelmeile bis zum Ziel, also machte ich mich schnell wieder auf den Weg, um diese auch noch hinter mich zu bringen. An einen Endspurt war nicht zu denken, denn natuerlich ging es bergauf und es waren viele Baumwurzeln im Weg, ueber die man haette stolpern koennen.
Mir ging es gut. Ausser an den Stationen und einer kurzen sehr steilen Stelle war ich keinen Schritt gegangen, sondern hatte die 30 Meilen komplett laufend zurueck gelegt.
Die Uhr teilte mir mit, was ich dank GPS schon wusste: Ich hatte mein Ziel erreicht!
Ich siegte mit 4:54:02, knapp fuenf Minuten vor der zweiten Frau. Da nur 65 Laeufer ueberhaupt gestartet waren und die Siegerin im letzten Jahr eine halbe Stunde schneller gewesen war als ich heute, sollte man diesen Sieg natuerlich nicht zu hoch einschaetzen, aber ein schoenes Gefuehl war es schon.
Ich suchte sofort nach Jon, der etwas ueber eine halbe Stunde vor mir mit 2:21:14 ins Ziel gekommen und zweiter in seiner Altergruppe geworden war.
Er zeigte mir eine versteckte Dusche, zu der ich wanken und mich abkuehlen konnte. Irgendwie wollten meine Knie sich beim Gehen nicht mehr einknicken und mein Gang sah wahrscheinlich etwas seltsam aus. Zum Glueck war ein Masseur vor Ort, der zwar Geld nahm, aber fuer $20 seine Arbeit auch wesentlich besser machte als die Massageschueler, die man normalerweise bei Marathons findet. Jedenfalls ging es meinen Beinen nach der Therapie schon wieder viel besser.
Wie bei Trail Runs ueblich gab es keine offizielle Siegerehrung, sondern man musste sich beim Veranstalter melden, um seinen Preis in die Hand gedrueckt zu bekommen: Ein langaermeliges T-Shirt mit dem Rennlogo und eine schoene Taschenlampe, in die der Name des Laufes und "Overall Winner" eingraviert sind. Ist mal was anderes als die ganzen Pokale und Medaillen, die sich in diesem Jahr so angesammelt haben.
Das Wichtigste an diesem Lauf jedoch ist die Gewissheit, dass ich diese Strecke schaffen kann, und das auch noch, ohne mich wer weiss wie zu quaelen, sondern mit einem Lachen die Ziellinie zu ueberqueren. Der Lauf war einfach wunderschoen, fast so gut wie die Pacific Coast Trail Runs in Kalifornien, aber eigentlich kann man die beiden auch kaum miteinander vergleichen. Ich weiss jetzt wieder, wie herrlich Trail Runs sind und warum ich sie in Kalifornien so gerne mochte. Ein grossartiges Naturerlebnis, ohne Hetze, aber doch motivierter als ein einfacher Trainingslauf.
Ich bin wirklich froh, diese Hammerstrecke genau bei dieser Veranstaltung gelaufen zu sein. Besser haette es im Prinzip gar nicht gehen koennen!
Margitta hat eben doch recht: Ultra ist gut!
14.10.07
Ultra ist gut!
Labels:
Ausrüstung,
Ernährung,
Foto,
Landkarte,
Personal Record,
Reisen,
Rennen,
Trail Running,
Training,
Video
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
5 Kommentare:
Wow, mir sind ja Läufer/innen immer etwas suspekt, die bei solchen Aktionen immer gut gelaunt sind und immer Lachen können. Aber wenn man Deinen Bericht liest, bekommt man direkt Lust, so was auch mal zu machen. Weil man einfach so fröhlich dahin läuft, zwischendrin mal kurz die Marathonzeit herausstoppt und am Schluss noch ein bisschen Überholen spielt. Wo ist also das Problem?
Du bist super drauf, ich bin schon gespannt, was da noch alles kommt. Respekt und Glückwunsch zu der Leistung.
Boah, super, Kerstin.
Ganz herzlichen Glückwunsch.
Die Zeiten, die du so zusammenläufst, liegen absolut außerhalb meiner Vorstellungskraft - Respekt!
Und dann noch mit Spaß. Genial!
7 Uhr als Startzeit für einen Ultra find ich aber ganz schön heavy *schluck*.
Und das sage ich, die ich manchmal gerne einfach so morgens um vier aufstehe, um laufen zu gehen... (aber niemals 50 km! *g*)
Irre - mehr sag ich nicht dazu!
Don't worry, be happy !! Und das bist Du ja !
Willkommen im Club !! Freue mich, dass Du auch mal geschnuppert hast, gut gemacht.
Man darf gespannt sein, ob Du irgendwann nach 100 km auch noch sagst: " Ultra ist gut ", aber ultra ist wirklich gut !!!!!
Yuppiiiiiiiiiiiiiiii, schön !!
Boah, wie klasse! Schönes Video, betrachtet man nur Dein Gesicht, würde man nicht vermuten, dass Du schon 50k hinter Dir hast.
Herzlichen Glückwunsch!
Kommentar veröffentlichen