Und wir waren zum ersten Mal in L.A.
Das waren so die Haupterlebnisse eines netten Wochenendausflugs, bei dem wir sechs- oder siebenhundert Meilen mit dem Auto gefahren und 13 Meilen gelaufen sind. Naja, ich bin am Samstag Morgen auch noch 3 Meilen gelaufen, aber wir wollen ja mal nicht so genau sein.
Freitag Mittag hat Jon mit von der Arbeit abgeholt und wir haben uns auf den langen Weg nach Los Angeles gemacht. "Driving down the 101" hieß es für die nächsten Stunden.
Und weil wir ja für das Rennen am Sonntag unsere Kohlenhydratspeicher auffüllen mussten - carbo loading nennt man das hier - ging es kurz vor dem Ziel dann auch gleich in ein sehr nettes mexikanisches Restaurant, wo wir uns an Enchiladas gütlich taten und die Guacamole direkt an unserem Tisch frisch zubereitet wurde. Noch nicht mal das Auto durften wir selber parken, das erledigten Mitarbeiter für alle
Restaurantbesucher. Sowas sind wir ja nun gar nicht gewöhnt.
Das Hostel in Hermosa Beach, in dem wir uns einquartierten, liegt direkt in einem Kneipenviertel, dem Bochumer Bermudadreieck nicht unähnlich aber auch direkt am Strand und alles erinnerte uns hier ein bisschen an Barcelona. Überhaupt ist Südkalifornien viel mehr das, was man sich gemeinhin unter "Sunny California" vorstellt. Irgendwie leichtfertiger und bunter als der Norden und eben mit seinen ganzen Palmen (statt Zypressen wie in Monterey) und dem Baustil irgendwie spanischer und südlicher. Mir hat es sehr gut gefallen.
Wir waren von der langen Fahrt ziemlich müde und so gingen wir nur noch in einen Pub, tranken ein Bier und fielen dann ins Bett. Netterweise hat man uns nämlich ein Doppelzimmer gegeben, obwohl wir eigentlich zwei Betten im Schlafsaal reserviert hatten und auch nur diesen Preis bezahlen mussten. Aber da das Zimmer sowieso leer stand...
Trotz des Partylärms von draußen konnten wir ganz gut schlafen und am nächsten Morgen hielt mich um halb acht nichts mehr im Haus. Ich wollte ja noch meine drei Meilen laufen und war außerdem furchtbar neugierig, wie die Gegend im Hellen aussah. Ich lief also auf dem Pier und der Strandpromenade und war ganz erstaunt, wie viele Leute trotz der frühen Morgenstunde schon unterwegs waren. Es war jedenfalls so warm, dass ich im T-Shirt laufen konnte. Das genoss ich natürlich sehr.
Nach dem Frühstück fuhren Jon und ich dann nach Huntington Beach, wo das Rennen stattfinden sollte. Dabei hatten wir noch Gelegenheit, einen Blick auf Long Beach, den größten Hafen der Westküste, zu werfen.
In Huntington Beach fand die Fitness-Messe statt, auf der wir unsere Startnummern und T-Shirts abholen konnten. Dass ich bei dieser Gelegenheit auch noch ein neues Laufshirt und ein paar Energy Chews kaufte, war ja mal wieder klar.
Meine Schwester war ja von Huntington Beach nicht besonders beeindruckt, aber wir bekamen den besten Teil zu sehen: Auf der Strandpromenade zum Pier, den Pier auf und ab und schließlich die Main Street, wo wir draußen in der Sonne sitzend unser "carbo loading" mit jeder Menge Pasta fortsetzten.
Den Rest des Tages verbrachten wir im Auto, fuhren nach Hollywood,
steckten im Stau, kamen nach Santa Monica und schließlich nach Venice Beach - gerade rechtzeitig zum Abendessen.
Wir gingen früh ins Bett, denn der Halbmarathon begann um 7:30 Uhr, wir hatten bis Huntington Beach noch eine Stunde zu fahren und mussten dann in einem Shuttle Bus zum Start gekarrt werden. Das hieß also aufstehen um 4:45 Uhr, Abfahrt vom Hostel um fünf. Ganz schön früh, aber das Leben ist hart für echte Läufer!
Obwohl der Busfahrer sich verfuhr und uns eine Viertelstunde länger als nötig durch die Gegend kurschierte, kamen wir immer noch rechtzeitig auf dem Renngelände an und konnten den Start des Marathons um sieben Uhr mitverfolgen, eine kleine Runde laufen und unsere warmen Sachen abgeben.
Schlauerweise war der Halbmarathonstart in Wellen ausgelegt, bei denen man seines eigenen Tempos gemäß in einer Gruppe lief - oder laufen sollte, denn die meisten hatten sich überschätzt und liefen viel langsamer. Jon reihte sich bei 8:30 Minuten pro Meile ein, ich bei 9 Minuten pro Meile und drei Minuten nach ihm konnte ich dann auch endlich loslaufen.
Das Rennen war schon länger ausverkauft. Fast 8000 Leute allein beim Halbmarathon, mit dem Marathon und 5km-Rennen zusammen 11000 Teilnehmer! Wir sind auf dem vierspurigen Pacific Coast Highway gelaufen und man sah nichts als Menschen. Verrückt!
Zum Start spielte Musik und Zuschauer jubelten uns zu. Ich lief die ersten Meter langsam, aber immerhin war es ja ein Rennen und ich hatte jede Menge Energie, also fing ich an zu ueberholen. Es war noch ziemlich kalt am fruehen Morgen und im Schatten der grossen Apartmenthaeuser und Hotels, die die Strasse saumten und ich war eigentlich zu leicht bekleidet. Um warm zu werden half nur eins: Laufen! Noch nach zwei Meilen fragte ich mich, ob ich jemals anfangen wuerde zu schwitzen und ob meine Haende jemals auftauen wuerden - fuer den Marathon werde ich wohl ein Paar billige Wegwerfhandschuhe kaufen, die ich nach den ersten Meilen einfach von mir schmeissen kann - und ueberholte schweissgebadete Laeufer. Rechts und links flogen die warmen Sachen in den Strassengraben und als wir endlich in die Sonne kamen, war ich doch ueber meine Kleiderwahl froh.
Es ging immer am Meer entlang auf dem Pacific Coast Highway. Viel konnte man vom Pazifik allerdings nicht sehen, da sich zwischen Strand und Strasse kilometerlang die Parkplaetze reihten. Im Vergleich zu den Pacific Coast Trail Runs war die Landschaft nicht besonders anregend (links war es flach, Oelfelder, Wohngebiete und Sumpfgebiete boten nicht viel Abwechslung) und die ersten paar Meilen kamen mir lang vor.
Doch dann hatte ich mich eingelaufen und als uns die ersten Halbmarathonlaeufer in einem irren Tempo entgegen kamen, wurde es wieder interessanter, denn jetzt konnte man sich die anderen Laeufer anschauen. Huntington Beach machte seinem Beinamen "Surf City" alle Ehre und hatte ein paar sehr appetitlich aussehen junge Maenner, ganz dem braungebrannten Surfer-Klischee entsprechend - auf die Strecke geschickt, die mit freiem Oberkoerper liefen.
Ausserdem war die Verpflegung waehrend des Laufs ausgezeichnet. nach fast jeder Meile streckten uns unzaehlige freiwillig Helfer, wohl meist Schueler aus Huntington Beach, Becher mit Wasser und einem Sportgetraenk entgegen und alle halbe Stunde gab es Energie-Gel. Perfekt, dachte ich und nahm von allem.
Nach etwa 4-5 Meilen kam schon der erste Umkehrpunkt und nun kamen mir die langsameren Laeufer entgegen. Psychologisch ist das von einigem Wert, denn wenn einem mehr Langsamere als Schnellere entgegen kommen, wirkt das schon anspornend und beruhigend.
Ich lief ein ziemlich flottes Tempo und hatte jede Menge Energie, aber auch ein Problem. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, vor dem Lauf noch mal einen Toilettenbesuch einzulegen, aber die Schlangen waren so lang und die Zeit zu knapp, sodass ich das nicht mehr geschafft hatte. Auch auf der Strecke waren in regelmaessigen Abstaenden Dixie-Klos aufgestellt, aber auch hier gab es Schlangen und ich wollte eigentlich keine Zeit verlieren, aber irgendwann zwischen Meile 6 und 7 musste ich dann doch kurz anhalten. Alle wollten natuerlich schnell wieder auf die Strecke, sodass sich die Wartezeit in Grenzen hielt, aber genau dieser Stopp liess mich letztendlich mein Ziel, unter 1:50 h anzukommen, verfehlen.
Nach der Zwangspause war ich nervoes und lief noch ein bisschen schneller, doch ich konnte die Zeit nicht mehr aufholen, also beruhigte ich mich und lief einfach so schnell ich konnte. Ein Abzweig ins Inland und es ging durch Wohngebiete, wo mehr Zuschauer standen und uns zujubelten. Das war natuerlich noch mal besonders motivierend. Weiterhin hatte ich genug Energie, die ich bei jeder Versorgungsstation neu auftankte.
Als die letzten 2 oder 3 Meilen anbrachen, dachte ich noch, dass ich es unter 1:50 h schaffen konnte, denn das GPS zeigte die Toilettenpause nicht mit an (die Zeit stoppt, wenn ich anhalte). Jetzt war es nicht mehr weit und ich legte noch mal im Tempo zu. Ich sah Laeufer, die auf dem Mittelstreifen gingen und sich wohl verausgabt hatten und einen, der am Rand sass und von seinen Bekannten mit Wasser uebergossen wurde.
Neben den langen Laeufen wurde auch noch ein 5-km-Run/Walk veranstaltet und die Ziellinie war fuer alle gleich. Eigentlich sollten die langsamen Spaziergaenger (oder Walker) links gehen, damit die Laeufer rechts freie Bahn hatten, aber leider hielten sich nicht alle daran. Immer wieder sind wir auf solchen Veranstaltungen und besonders toll ist es nicht, beim Endspurt alles zu geben, wenn man gleichzeitig noch gemuetlich vor sich hin wanderndes Volk umkurven und ueberholen muss. Da sollte die Organisation geaendert werden!
Im Ziel zeigte das GPS 1:49:18, doch meine offizielle Zeit war 1:50:35. Das ist zwei Minuten schneller als bei meinem ersten Halbmarathon, doch das Ziel hatte ich damit nicht erreicht. Naechstes Mal muss ich auf jeden Fall vorher aufs Klo gehen!
Das Procedere im Ziel: Jeder bekam eine Flasche Wasser gereicht, eine Urkunde, den Chips vom Schuh geschnitten und eine Alu-Decke, um nicht auszukuehlen. Letztere nahm ich zwar, aber noetig war sie nicht, denn inzwischen war es herrlich warm. Lange Reihen von Kisten mit Bananen, Aepfeln, Bagels, Sportgetraenken und Energieriegeln warteten auf die hungrigen Laeufer und dann traf ich auch Jon, der 11 Minuten schneller war als ich. Auf gerader Strecke ist er einfach nicht zu schlagen! Nur bei Berglaeufen naehere ich mich ihm allmaehlich an.
Wir holten unsere warmen Sachen ab und verschafften uns Zutritt in das abgegrenzte Gebiet, in dem wir unsere zwei Bier pro Person bekamen und wo nur Erwachsene ueber 21 Jahren Zutritt hatten.
Es war fast Zeit, nach Hause zu fahren, doch vorher wollten wir noch ein bisschen in Hollywood rumlaufen und die vielen im Boden eingelassenen Sterne sehen.
Den Super Bowl musste Jon auf der Fahrt im Radio hören und gegen neun Uhr abends waren wir dann auch wieder zu Hause.
Hier ist mein Resultat!
5 Kommentare:
Hi Kerstin,
gut gemacht und hoffentlich bist Du zufrieden. Bin schon gespannt auf Deinen weiteren Bericht, wie so ein Rennen in Kalifornien abläuft.
9 Minuten zwischen Brutto und Nettozeit ist schon ganz schön viel.
Viele Grüße
Uli
Good Morning Kerstin,
alle Achtung, eine tolle Zeit - damit kannst Du rein theoretisch die 4 Stunden bei Deinem 1. Marathon knacken. Das tempo dafür hast Du, und da Du die langen Läufe nicht vernachlässigst, könnte auch die Ausdauer dafür reichen!
Herzlichen Glückwunsch schon mal, und ich freue mich schon auf die Fortsetzung!
Gruß
Manu
Hallo Kerstin,
ich bin neu im "Running business" aber gerade auch dein blog (über den ich selbst zum Bloggen gekommen bin) und der letzte Bericht über den Pacific Shoreline Marathon sind total interessant.
Ich kann Manu nur zustimmen: Ich bin gespannt auf die Fortsetzung! Klasse Leistung!
Beste Grüße
D.H.
Hi Kerstin,
bin vor ein paar Tagen eher zufällig über Edgars page hier her geraten und lesen seitdem regelmäßig mit. Weiter so und 'gut Lauf' aus Mainz!
Mario
Hi Kerstin,
ganz schön flott warst Du ja. Herzlichen Glückwunsh! Und wie Uli schon schrieb, freue auch ich mich auf den nächsten Bericht.
Macht Spaß hier!
Gruß,
Michi
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